Hereinspaziert! Zwischen Freaks und Hochglanz (WiSe 2017/2018)

Das komplette Programm findet ihr hier.

Ankündigungstext aus dem Flyer:

Zwar ist der römische Circus mit Wagenrennen, Gladiatorenkämpfen und Tierhetzen bereits aus der Antike bekannt, die Geschichte des weniger blutigen modernen Zirkus beginnt jedoch wesentlich später: von artistischen Reiterdarbietungen in England um 1770 ausgehend findet das Unterhaltungskonzept schon bald nach Frankreich und schließlich auch nach Deutschland. Der anhaltenden Faszination am Zirkus und seinen Protagonisten sowie ihrer vielfachen allegorischen Nutzung wollen wir mit diesem Programm nachspüren.

Insbesondere in seiner Frühphase lässt sich der Zirkus kaum eindeutig von anderen öffentlichen Attraktionen wie Wandermenagerien, Freak Shows und Pantomime-Darstellungen (als Ursprung der heute so ikonischen Zirkusclowns) abgrenzen, die neben ihrer eigenständigen Form auch immer wieder in größere Zirkusprogramme integriert wurden. Mit David Lynchs Elephant Man wird zunächst ein Blick auf den körperlich deformierten ‚Freak‘ als Sensation geworfen, bevor wir uns dem gegensätzlichen Hochglanz-Zirkus aus zwei unterschiedlichen Perspektiven nähern.

Nicht zufällig wählt Alexander Kluge den Zirkus als Reflexionsfläche für seinen Essayfilm über die Gefahr der Kunstschaffenden, immer höher zu streben und sich gleichsam vom Publikum zu entfernen. Schon Adorno wertete die ‚niedrige‘ Kunst des Zirkus in seiner Ästhetischen Theorie als Antikultur im bestmöglichen Sinn, als Widerstand gegen Entfremdungseffekte der Kulturindustrie: „Ein jegliches Kunstwerk beschwört durch seine bloße Existenz, als dem Entfremdeten fremdes Kunstwerk, den Zirkus und ist doch verloren, sobald es ihm nacheifert.“ Diesem idealisierten Zirkusbild zeigt sich einige Jahrzehnte später das kanadische Großunternehmen Cirque du Soleil als krasses Gegenprogramm. Dort gilt: höher, schneller, weiter. Spektakel.

Das heute so charakteristische Zirkuszelt ersetzte erst mit Entwicklung des Wanderzirkus um 1900 die ortsgebundenen Schaustätten, wobei die ungewöhnlichen – oft romantisierten, mystifizierten – Lebensbedingungen des Artistenmilieus immer wieder Erzählstoff boten. Der nächste Themenblock widmet sich entsprechend dem Zirkus als Schauplatz vielseitiger persönlicher Konflikte und Tragödien: als Ort des tiefen Sturzes (Varieté) sowie als Zufluchtsort für Abweichler und Ausgestoßene (Ansichten eines Clowns), vermeintliche (The Circus) wie echte Verbrecher…

Während der Elephant Man Joseph Merrick seiner öffentlichen Herabwürdigung wenig entgegensetzen konnte, imaginiert Batman Returns abschließend eine Umkehrung der Machtverhältnisse: die Freaks selbst übernehmen den Zirkus.

Die Filme:

Mo, 13.11., 20.30 Uhr, Pollux: The Elephant Man (OmU)
Mo, 20.11., 20.30 Uhr, Pollux: Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos
Mo, 27.11., 21.00 Uhr, Pollux: Cirque du Soleil: Worlds Away 3D (OV)
Mo, 04.12., 21.00 Uhr, Pollux: Ansichten eines Clowns
Mo, 11.12., 20.30 Uhr, Pollux: Stummfilm: The Circus
Di, 19.12., 20.00 Uhr, Uni Paderborn, Filmraum E2.122: 16mm-Double-Feature: Überraschungsfilme
Mo, 08.01., 21.00 Uhr, Pollux: Stummfilm: Varieté
Mo, 15.01., 20.30 Uhr, Pollux: Das unsichtbares Kino: Überraschungsfilm (OmU)
Mo, 22.01., 21.00 Uhr, Pollux: Batman Returns (OV)