„Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ So beginnt Franz Kafkas Romanfragment über den „Prozeß“ des Prokuristen K., der sich keiner Schuld bewusst ist und keine Aufklärung über seine vorgeblichen Verbrechen zu erlangen vermag. Die rätselhaft bedrohliche, unergründliche Atmosphäre, die dabei entsteht, ist Kafka so eigentümlich, dass das Adjektiv ‚kafkaesk‘ Eingang in den allgemeinen Wortschatz fand.
Kafka selbst begeisterte sich früh für das Kino, sein Erzählstil wurde immer wieder als „filmisch“ und „traumartig“ charakterisiert. Ob dies eine ambitionierte Verfilmung nun im Allgemeinen eher leichter oder schwerer macht, sei dahingestellt: Orson Welles jedenfalls ist hier eine kongeniale Adaption gelungen, die das albtraumhafte Umherirren des unwissend Schuldigen in einer Verneigung vor dem frühen expressionistischen Kino der 1910er und 20er Jahre durch meisterliches Spiel mit Licht, Schatten und Perspektive einfängt. Er scheute in seiner starbesetzten Verfilmung keine historische Rekontextualisierung und mimt in einer Nebenrolle selbst den bettlägerigen Advokaten Huld.
Gerade das Nebeneinander gestalterischer Freiheit bei gleichzeitiger Treue zum Ton der Vorlage machen Welles‘ ersten Kinofilm nach seinem Abschied von Hollywood zu einer der eindrucksvollsten Literaturverfilmungen der Filmgeschichte.
Dienstag, 11.06.2019 | 20:30 Uhr im Pollux
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