CSU-Koryphäe Franz Josef Strauß kandidiert bei der Bundestagswahl 1980 für die Union gegen den amtierenden Bundeskanzler Helmut Schmidt. Einige um die Zukunft der Bundesrepublik besorgte Filmemacher zeichnen kritisch seine bisherige Karriere nach: „Als Filmcharakter gefiel uns Franz Josef Strauß gut. Als Bundeskanzler fanden wir ihn unpassend.“ – Alexander Kluge.
Der Kandidat ist neben Deutschland im Herbst (1977) und Krieg und Frieden (1982) eines der großen Gemeinschaftsprojekte aus der Spätphase des ‚Neuen deutschen Films‘, welche sich durch einen expliziteren politischen Impetus auszeichnet. Franz Josef Strauß‘ Laufbahn von den 1950ern bis zu seiner Kanzlerkandidatur folgend entsteht so ein facettenreiches Porträt der Nachkriegsrepublik, das u.a. die sogenannte ‚Spiegel-Affäre‘ 1962, die drohende atomare Aufrüstung unter Strauß als Atom- und Verteidigungsminister sowie die Gründung der Grünen mit eindrucksvollen Aufnahmen ihres ersten Parteitags 1980 in den Blick nimmt.
Ihre Unabhängigkeit von den Methoden der etablierten Medienlandschaft ermöglichte es den Regisseuren, größere Zusammenhänge zu thematisieren und die Grenzen zwischen Dokumentation und Fiktion auf produktive Weise verschwimmen zu lassen. Insbesondere Alexander Kluge steuert den vielen dokumentarischen Aufnahmen immer wieder ausgleichend fiktionale Elemente bei, was der Grundannahme seiner Arbeiten entspricht: dass unsere eigentliche Lebenswirklichkeit nie rein durch rationale Fakten geprägt ist, sondern die Gefühle mindestens genauso real und beide eng miteinander verwoben sind; deshalb sei der Versuch einer künstlichen Trennung, wie sie z.B. im Fernsehen durch eine strikte Aufspaltung in Nachrichten/Dokumentation und Spielfilm geschehe, fehlgeleitet und im Ergebnis irreal.
In Zeiten von ‚fake news‘ und dem allgegenwärtigen und vielkritisierten ‚Postfaktischen‘ offenbart sich hier entsprechend ein gelungener Gegenentwurf, der die Macht der reinen Fakten bewusst untergräbt, ohne dabei an Wirkung und analytischer Schärfe zu verlieren.