Wir leben in einer Zeit von Gegensätzen. Einerseits wird unsere Gesellschaft als übersexualisiert bezeichnet, da beinahe in allen Massenmedien – insbesondere der Werbung – mit den heimlichen Begierden und Wünsche der Konsumenten bzw. Zuschauer gearbeitet wird. Des Weiteren hat sich durch die immer schnelleren Internetverbindungen ein riesiger Markt der legalen und sogar kostenlosen Internetpornographie gebildet und neue spezialisierte Partnervermittlungsseiten und Sexting-Apps „garantieren“ einem den nächsten schnellen „Fick“. Doch trotz der Inflation des Porno- und Sexangebots legt der öffentliche Diskurs eine merkwürdige Prüderie an den Tag. Nur selten wird öffentlich über Sex und Pornos gesprochen, Facebook verbietet und zensiert „nackte Tatsachen“, der amerikanische Playboy lichtet keine nackten Frauen mehr ab und selbst in Paderborn konnte ein studentischer Kurzfilm zum Internationalen Frauentag 2014 nur in zensierter Fassung gezeigt werden. Die Schere zwischen dem Angebot an Sex und Pornos und dem (medialen) Diskurs darüber wird immer größer.
Diese Entwicklung ist auch filmisch äußerst interessant. Während die klassische Pornofilmproduktion wegen des großen Internetangebots zum Großteil zum Erliegen gekommen ist, hat das „Arthousekino“ schon seit längerem den Sex neu für sich entdeckt. In unserer Programmreihe möchten wir einerseits die neuen Entwicklungen der Filmkultur Rechnung tragen und zeigen aktuelle Produktionen wie den expliziten Love 3D, den sadomasochistischen The Duke of Burgundy und mit Don Jon und Shame zwei Filme, die im Gewand einer Komödie die Pornosucht bzw. in Form eines Dramas die Sexsucht thematisieren. Die Sucht ist das herausragende Beispiel für die Krisen der Protagonisten unserer Programmreihe.
Das Spannungsverhältnis zwischen Verzicht und Hingebung und die damit verbundenen Krisen und Probleme bilden den roten Faden unserer Programmreihe. Neben aktuellen Produktionen tauchen wir auch wieder tief in die Filmgeschichte ein, zeigen ehemals skandalöse Filme wie Lolita und Dieses obskure Objekt der Begierde, würdigen mit Der Mann, der vom Himmel fiel und Begierde den kürzlich verstorbenen David Bowie, der durch seine ausgestellte androgynen Körperlichkeit die Grenzen zwischen Mann und Frau zu durchbrechen scheint. Zudem gibt es bei einigen Sonderveranstaltungen verschiedene Spielarten des Sexfilms zu entdecken. Von frühen kurzen Sexfilmen vom Anfang der Filmgeschichte, über humorvolle Sexploitation -Werke bis zur Hardcore-Pornographie versuchen wir möglichst viele Facetten des scheinbar primitiven Sexfilms offenzulegen. Gehen Sie mit uns das Experiment ein und lassen Sie sich von unserem Programm zugleich berühren und verführen .